Dienstag, 29. Januar 2013

Kapitel 20 "You give love a bad name"

Üärks.


Mein Rachen brennt und meine Spucke schmeckt noch nach Gin - ohne Tonic.
Will meinen Oberkörper bewegen, aber da liegt Gewicht drauf, um genau zu sein, Tom's Arm.
Wie er daliegt. Auf den Bauch gerollt, Gesicht zu mir gewandt und noch im tiefstem Traum versunken. Sein Haar, weder kurz noch lang, sondern eher etwas in der Mitte, wellt sich so wundervoll; das habe ich mir für meine Haare immer gewünscht.
Meinen linken Arm leicht verbiegend und den Seinen hochstemmend, beginne ich leicht sein schönes Haar zu streicheln - er rümpft augenblicklich die Nase.
"Oh, bist du wach?", flüstere ich, "das wollte ich nicht."
In Millimeterarbeit öffnet er das eine, für mich sichtbare, Auge, das Andere ist im Kissen vergraben.
Ein leises Murmeln ist im ehemaligen Prismazimmer zu hören. Die Sonne scheint hell durch das winzige Kellerfenster und bringt nur einige, wenige Discokugeln und CD-Mobilés zum Strahlen.
"Ist schon ok...", raunzt er mit tiefer Stimme und schließt erneut das Auge. Wie süß sich das anhören kann hatte ich vorher nicht im Geringsten geahnt. Entzückt kichere ich in mich hinein.
"Hm?", er öffnet nochmals mit schwerster Anstrengung sein Seelenfenster.
"Schlaf weiter, ich gehe derweil frühstücken und sehe ob meine Zickenfreundin sich abgeregt hat", ich kann mein Lächeln nicht unterdrücken, küsse seine Stirn und suche auf dem Fußboden mein Kleid, Unterwäsche, Socken und Schuhe zusammen.
Grade als ich mir den BH umschnallen möchte zieht mich etwas an den Haaren.
"Halt stop!", Tom hält meine Haarsträhne locker aber mit beherztem Griff fest.
"Was ist?"
"Bevor du die Süßen einpackst möchte ich sie nochmal im Sonnenschein sehen!"
"Äh...", verwirrt zeige ich ihm die "Süßen", stelle mich leicht in Pose - und fühle mich schrecklich unwohl.
"Ah, wundervoll, dann habe ich diese Vollkommenheit doch nicht geträumt". Entspannt lässt er sich aufs Bett fallen und streckt alle Viere von sich.
"Echt jetzt? Ich meine... echt jetzt?!", total entsetzt bin ich immernoch in meiner Pose verharrt.
"Ja klar", er setzt sich aufrecht hin und sein verschlafener Blick bekommt ernsthafte Züge, "Sag mal, stimmt das? Dass du nur auf der Durchreise bist?"
Kleid und Socken hätte ich dann derweil geschafft anzuziehen.
"Ja, warum?"
"Hmm." Er wechselt gekonnt von Ernst zu Traurigkeit.
"Du willst...dass ich länger bleibe?"
Den Kopf hängen lassend schrubbelt er sich selbst durch die Frisur und nickt ganz sacht.
"Ich geh frühstücken, heute Abend komme ich zurück, ok?"
Abermals sehe ich ihn in gleicher Stellung mit selbiger Geste. Die Tür schließe ich von Außen und ich höre noch, wie jemand sich mit einem Poltern auf ein altes Bett fallen lässt.





Im Foyer begegne ich einer aufgelösten Holly.
Sie sieht mich, springt von den Treppenstufen auf und ich sehe schon aus wenigen Metern Entfernung, dass ihr Gesicht vom weinen ganz aufgequollen ist.
"Holly, was ist passiert?", frage ich ernsthaft besorgt.
"Das will ich dich fragen!", schluchzt sie durch die ganze Empfangshalle, "Du kamst in der Nacht nicht aufs Zimmer, hast dich nicht weiter gemeldet und als ich letzte Nacht in der Bar nachsah war da auch keine Sau mehr! Nicht mal der Barkeeper! Rabääääh!"
Was zum Henker will sie mir mit "Rabääääh" sagen?
"Komm erstmal mit in den Frühstücksraum, da erkläre ich dir alles, ja? Es tut mir leid, Holly. Es ist aber Nichts passiert, ehrlich."
Ihr Wimmern wird leiser und sie nickt als Antwort. Heute finde ich diese Bewegung niedlich und traurig zugleich.


Nachdem ich sie über meine letzte Nacht aufgeklärt hatte, wirkte ihre Stimmung nicht rosiger als im Foyer, eher im Gegenteil.
"Du hast schon wieder mit nem Wildfremden gepennt?!", ihre Entrüstung ist ihr ins Gesicht geschrieben.
"Nun, äh, also...öhm....JA," verlegen reibe ich mir den Hinterkopf; wie ich es immer mache.
"Aha."
Der Tonfall einer scheltenden Mutter trifft immer steinhart ins Herz - so wie dieses eine gesprochene Wort von Holly.
"Ich... würde ihn gern näher kennen lernen. Damit er nicht nur eine, wie du es nennst, "Pool-Guy-Geschichte" bleibt. Ich finde ihn wirklich ... nett." Meine Wortwahl fällt mir übelst schwer und ich drohe zu ersticken an ihrer Aura. Die einer Königin, die ihr Fußvolk am Liebsten mit einer Hinrichtung aufheitern möchte. Und es könnte jeden treffen.
"Wie lange?" Bei der Frage sieht sie mich nicht mal mehr an.
"Vier oder fünf Tage?", erbitte ich mit flehendem Blick.
"Hmh."
"Wenn du nicht möchtest, dann...kannst du auch ohne mich weiterziehen, wenn du willst."
Das Klirren von Glas setzt ein.
Erstarrt sehe ich zu Holly auf und bemerke, dass sie wohl versehentlich bei einer Armbewegung ihr Trinkglas umgestoßen hat. Beschämt steht sie sofort auf um die großen Scherben zusammen zu suchen.
Eine weibliche Bedienung eilt schon mit Handfeger und Schaufel zur Stelle und bittet Holly sich wieder zu setzen, es sei alles in Ordnung und sie bekäme schnellstens ein neues Glas.
Missmutig setzt sie sich hin und starrt weiter auf ihren Teller.
"Ich wollte keine Drohung aussprechen, ich meinte nur, du könntest gehen, wenn du wolltest, ich möchte kein Klotz am Bein sein, verstehst du?", versuche ich ihr gut zu zu reden.
"Du? Du willst kein Klotz am Bein sein? Aber was bin ich dann in diesem Laientheater...?", ihr Gesicht verzieht sich zu einem schmerzhaften Lächeln.
"Holly, hey! Ich habe das wirklich nur gesagt, damit du weißt, dass du nicht an mich gebunden bist. du bist frei."
"Frei bin ich schon lange nicht mehr. Seit ich dich sah, bin ich es nicht mehr."
Mir fällt alles aus dem Gesicht, "Was?"
Sie verschränkt ihre Arme, lässt sie auf den Tisch knallen und wirft ihren Kopf obenauf.
"Fällt es dir wirklich nicht auf?", kommt es gedämpft aus ihr heraus.
"Auffallen? Wa- ... ...Oh." Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Die Eifersucht. Diese ständige Eifersucht und die spitzen Kommentare. Oh Mist.
"Shot through the heart, hm?", nuschelt sie vor sich hin.
"Äh, was?"
"Shot through the heart! And you're to blame!", schreit sie mir singend entgegen.
Irgendwo aus einer Ecke kam leise, aber hörbar ein "Darling, you give love a bad name!" zurück und Holly bricht in Gelächter aus und weint unaufhörlich dabei.
"Wenn du gehen möchtest, gehe ich mit," verspreche ich ihr.
Endlich sieht sie mir von unten herauf ins Gesicht.
"Wir bleiben hier solange du möchtest. Du kannst nichts für deine Gefühle, genauso wie ich."
Ganz ehrlich, in diesem Moment liebe ich sie einfach.


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