Dienstag, 10. April 2012

Kapitel 15 "While your lips are still red"

Sekunden fühlen sich an wie Stunden. Viele Stunden.
Das Geräusch des Aufschließens der Tür lässt Holly und mich verstummen und gebannt darauf warten, was für ein Unglück uns jetzt widerfahren soll.


Schweiß rinnt über mein Gesicht und ich kann förmlich spüren wie angsterfüllt ihr Blick sein muss während sie zur sich öffnenden Türe starrt.
Als jemand unseren Raum betritt zucke ich kurz zusammen und es kommt plötzlich ein "Lasst sie gehen, dann bleibe ich freiwillig hier!" aus mir heraus. Wieder ist alles still. Nur zögerlich gibt Holly einen Satz von sich, der von der Lautstärke fast nur ein Flüstern ist: "Das ist keiner von denen."
Ich schlucke schwer und meine Kehle brennt wie Feuer. Plötzlich verspüre ich das Gefühl nichts mehr verlieren zu haben.
"Wer bist du und was willst du?"
Schweigen.
So langsam kann ich dieses quälerische Schweigen nicht mehr ertragen.
"Was willst du verdammt noch mal?!", kreischt es aus mir heraus.
Schritte bewegen sich in meine und Hollys Richtung und ich wünsche mir inbrünstig nicht hier gefesselt zu sein um dem stillen Eindringling eine zu verpassen, egal was für eine Statur oder körperliche Verfassung er hat.
Geräusche dringen an mein Ohr. Unbedrohliche Geräusche, so scheint es.
"Verschwindet von hier, sie sind nur kurz weg."
Verwirrtheit macht sich breit. >Bitte was?< schallt es mir durch den Kopf.
"Äh...ja, danke", sagt Holly ebenso konfus angehaucht wie ich denke.
Der Körper, der zur männlichen Stimme gehört werkelt an meinen Beinen herum und ich merke, wie die Fesseln sich lösen. Dasselbe macht er mit den Armen.
"Beeilt euch und seht zu, dass ihr irgendwie aus der Stadt kommt. Sie sind nicht dafür bekannt ihre Opfer laufen zu lassen."
Während ich versuche den Knoten zu lösen, der meine Augenbinde an seinem Platz hält höre ich, wie sich seine Schritte zügig entfernen.
Kaum habe ich mein Augenlicht zurück ist niemand mehr da, dem ich fürs Entfesseln danken könnte.
"Bist du sicher, dass es keiner von denen war?", frage ich zaghaft.
"Ist doch unwichtig, lass uns von hier verschwinden. Ich sammel mal deine Kleidung auf."

Rasch packen wir unsere Sachen zusammen. Viel ist nicht mehr übrig: Meine Klamotten, mein entleerter Rucksack, mein Portemonnaie und eine halb ausgetrunkene Wasserflasche. Wechselkleidung adé. Ich seufze tief als wir im Stechschritt das alte Fabrikgebäude verlassen. Man kann nicht mal mehr erkennen was in dem Haus vor geschätzten Jahrzehnten hergestellt wurde. Sicher ist aber, dass es mir grade absolut egal ist.
Bestimmt nehme ich Hollys Hand, da sie langsam an Tempo verliert.
Es ist unbeschreiblich schön die pralle Mittagssonne zu spüren, sie kitzelt förmlich auf meiner Haut. Es geht wohl auf den Herbst zu, denn die ersten Blätter an den Bäumen und Sträuchern verfärben sich in Braun- , Rot- und Goldtöne.

4 Stunden streifen wir planlos aber energisch durch Wald, Wiesen und kleine Dörfer in denen wir spitzbübisch von der Seite beäugt werden. In 15 Kilometern kommt die nächste größere Stadt mit Zugverbindung und einem Flughafen.
Wir beschließen unsere Finanzen zu überprüfen und setzen uns dafür unter eine wundervolle Große Eiche, die mitten im Ort steht, umringt von schön instand gehaltenen Fachwerkhäusern. Sehr idyllisch und eine reine Wohltat zur kalten Großstadt wo ich aufgewachsen bin.
Holly überprüft ihre Taschen und findet 16€ und 3 Cent. Und einen Knopf.
Die Verwunderung ist mehr als groß, als ich meinen Geldbeutel öffne.
500€ verlockend in 50 Euroscheine gestückelt.
Uns beiden fällt die Kinnlade runter.
"Hattest du die ganze Zeit so viel mit dir rumgetragen?! So viel Geld..."
Mit aufgerissenen Augen sehe ich zu ihr rüber. "Sehe ich grade so aus, als wenn ich damit gerechnet habe?"
"Oh, äh...nein, entschuldige, aber woher könnte das kommen?"
"Ich habe keinen blassen Schimmer...zumindest scheint uns einmal etwas annähernd Gutes zu passieren, nicht wahr?"













1 Kommentar:

  1. Freya von der Aue10. April 2012 um 14:11

    ...und immer wieder staune ich,welche Wedung das ganze nimmt...

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