Mittwoch, 27. Juni 2012

Kapitel 17 "The sparrows and the nightingales"

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man es Eifersucht oder einfach Missgunst nennen sollte, aber so viel ist sicher: Mir gefällt es nicht, dass Carol mit diesem Typ im und am Pool geschlafen hat.
Zuerst habe ich etwas in meinen Büchern gelesen, aber da unser Zimmer direkt zum Becken steht, konnte ich nicht anders, als alles mitzubekommen.
Mir war es lieber mich schlafend zu stellen, als sie das Zimmer betrat. Denn kurz darauf ergriff mich die Scham.



"Träumst du?"
"Was wie wo? Nein!", ich glaube, meine Antwort ist nicht sehr überzeugend.
"Du kannst wohl nicht genug vom schlafen bekommen, was? Mach dir nichts draus, geht mir auch so."
Hälst du mich wirklich für so unschuldig? Wir laufen wieder seit einigen Stunden, aber in einem sehr gemütlichen Tempo. Keine Eile, keine Hetze.
"Ich wäre gerne noch einige Tage in dem Ort geblieben, du nicht auuuuuuch?", bewusst ziehe ich meine Frage sehr in die Länge.
"Doch, schon. Ja.", sie blickt verträumt in die Ferne.
Ach bitte, nein. Hat sie sich in den Kerl verguckt?
"Und warum?"
Ihre Augen weiten sich. "Warum was?"
"Warum wärst du gern geblieben?"
"W-was soll diese Frage?"
"Du könntest einfach antworten."
Wir bleiben stehen und sehen uns an. Ich hoffe, ich gucke grade so böse, wie ich es vorhabe.
"Es war so schön idyllisch dort."
Bitte was? Das soll der Grund sein? "Und weiter?"
Nochmals glotzt sie mich mit großen Augen an. "Wie 'und weiter'?"

[Nun sag' es endlich!] "Was für Gründe gibt es noch?"
"Ah. Du willst eine bestimmte Antwort hören."
"Oh, Hallelujah! Die scharfe Schnecke hats geschnallt. Die Waschmaschine kommt in 3 Tagen."
"Warum bist du so giftig heute?... Oh."
Jetzt scheint sie es begriffen zu haben. Betroffen starrt sie gen Boden. Sie schämt sich?
"Du hast es gesehen?", die Augen füllen sich mit Tränen. Nein, das...das wollte ich doch nicht!
"Ach naja, ich habe es mehr gehört als gesehen und-"
"Oh Gott, schlimm genug!" Sie sackt zu Boden.
Nun stehe ich hier. Mitten im Nirgendwo wo nur grüne Wiesen und weite Felder zu sehen sind. Hier und da ein Baum und kleine Hütten. Und habe die junge Frau zum weinen gebracht, die mir von Anfang an das Gefühl gab am Ziel zu sein.
"Das...ist doch nicht schlimm. Also, wäre ich n Kerl, ich hätt dich da auch im Pool...äh am Pool...also. Bäm und so." Ich bin ja richtig toll darin Menschen zu trösten. Man verleihe mir einen Orden.
Leise höre ich sie lachen. Sag bloß es hat wirklich funktioniert?
"Es tut mir leid, dass ich dir das verschweigen wollte. Du hast nicht gleich was gesagt, als wir aufstanden, also hatte ich Hoffnung, du hättest da schon geschlafen."
"Schon okay", ich reiche ihr die Hand zum Aufstehen, "Aber warum schämst du dich so? Er hat dir doch nicht etwa was getan, oder?"
"Nein! Um Gottes Willen, nein...", ihr Gesicht ist immernoch ganz rot, "Es war das erste Mal im Leben, dass ich das wollte. Nie hat mir jemand gesagt er würde aufhören, wenn ich es sage. Da ist irgendwie ein Schalter umgelegt worden."
Ich fühle mich so mies. Warum habe ich nicht einfach direkt danach gefragt, statt so zickig zu reagieren?
"Holly?", sanft nimmt sie mein Gesicht in ihre Hände. Sie sind so weiß. Da ist Schnee ein Dreck gegen.
"Es ist nichts", lüge ich sie an, "Lass uns weiter gehen, sonst schaffen wir es nie bis zum nächsten Bahnhof."
"Ist gut."
Sie ergreift meine Hand und so laufen wir weitere 4 Stunden ohne Rast, dafür aber im gemütlichen Tempo, bis zur Stadt, wo wir entscheiden wollen wie es weitergeht.

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Eins. Zwei. Drei. Vier.
Der Sandsack muss heute richtig einstecken, denn ich kann meinen Unmut nicht mehr zügeln. Ich weiß nicht mal mehr genau wie lang sie schon fort ist und das zermürbt mich. 3 Wochen? 3 Monate?
Egal, es ist eine Ewigkeit für mich.
Musik ist unerträglich für mich geworden. Genauso wie essen. Oder atmen. Dennoch kommt man an keines von denen vorbei, ob man will oder nicht.
Carols nerviger Vater fragt mich jeden Tag, was ich wüsste. Blöder Pisser, wenn ich es wüsste, würde ich nicht so leiden!
Fünf. Sechs. Sieben. Acht. AH!
Scheiße. Sollte mir angewöhnen beim Schlagen Handschuhe zu tragen, ich glaube irgendwas ist in meiner Hand kaputt.
Tüdelü.
Tüdelü.
Tüdelü.
Auch das noch. Wo ist das dumme Handy jetzt schon wieder?
Wild werfe ich Klamotten, Kissen, Decken, Papiere nach oben um den Fußboden sehen zu können. Seit Carol weg ist räumt Mutter keines der Zimmer hier oben mehr auf. Oder hat sie das schon früher gelassen? Was weiß ich.
Ah, da ist es ja.
Biep.
"Was ist?"
"Hey Nathan, wie gehts? Immernoch am Heulen wegen deiner Puppe?"
"Halts Maul, Zack."
"Nun mal locker, ich als dein Cousin werde dich doch etwas aufziehen dürfen, oder etwa nicht?"
"Nein."
"Du verletzt mich. Ehrlich."
Genervt lege ich mich auf mein unordentliches Bett. "Solltest du keine Highclass Nutten vögeln? Du machst doch so viel Kohle."
"Wegen so einem ähnlichen Grund rufe ich an."
Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen. "Hä?"
Ein tiefes Seufzen kommt vom anderen Ende der Leitung. "Pass auf. Dir ist dein Hündchen entlaufen, nicht wahr?"
"Nenn sie nicht immer so!", wie im Reflex schlage ich mit der lädierten Hand auf die Matratze. Verdammt, sogar das tut weh.
"Nunja...was würdest du sagen, wenn ich behaupte sie gestern gefickt zu haben?"
Meine Augen nehmen unvorstellbare Ausmaße an.
"Oh lala, du bist schockiert, stimmts? Strike, das habe ich bisher noch nicht bei dir erleben dürfen."
Langsam setze ich mich auf.
"Du hast...was?"
"Carol war hier. Scheinbar zieht sie jetzt mit so ner Kleinen durch die Welt. Auf der Flucht vor dir. Ich hatte sie im Hotel gesehen, wo ich doch öfter mit dem Manager zu Mittag esse - wirklich ein Zufall, ohne Witz! - checkte deine Notruf MMS und Tadaaaa. Das war sie. Eindeutig. Bei mir hat sie sich aber keinen Meter gewehrt, wovon du immer erzählst."
Tränen fließen über meine Wangen.
"Nathan?"
Das Handy liegt neben mir und ich kann nur dumpf die Stimme meines Vetters wahrnehmen, aber das ist nicht wichtig.
Du lebst.

Meine Liebe ist am Leben.

















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